🧤 5 rechtliche Fragen über Greenwashing
Interview mit zwei Rechtsexperten: Dürfen Marken sagen, dass sie "grün" sind? Welche rechtlichen Folgen kann Irreführung haben? Was ist die gesetzliche Grundlage dafür?
Hallo 👋 mein Name ist Florian Schleicher und das ist der FutureStrategies Newsletter von FutureS. Schön, dass du mitliest 💚 Wenn du strategisches Marketing lernen willst, ist meine Simple & Sustainable Marketing Academy genau richtig für dich.
🫣 Ready for some bad news?
Viele Nachhaltigkeitsversprechen großer und kleiner Unternehmen entsprechen nicht der Wahrheit.
“Promises by companies, banks and cities to achieve net-zero emissions often amount to little more than greenwashing.”
Und während KonsumentInnen sich echte nachhaltige Schritte wünschen, tagt in Sharm el-Sheikh die COP27 (Conference of Parties) über die Klimakrise - mit dabei 636 Öl- und Gaslobbyisten, die Regeln und Gespräche in ihre Richtung lenken wollen.
Gleichzeitig kommt ein wissenschaftlicher Bericht zur Erkenntnis, dass wir noch neun Jahre haben, um eine Klimakatastrophe zu vermeiden.
Soweit die schlechten Nachrichten. Ich weiß es tut weh.
🌅 Let there be light
Aber es gibt auch Lichtblicke - besonders auf rechtlicher Seite tut sich gerade einiges.
Australische Regulatoren untersuchen immer mehr Unternehmen auf vermeintliches Greenwashing und straft diese bereits ab.
Ein britisches Finanzgremium schlägt härtere Regeln rund um Green Marketing Aussagen vor.
Und die deutsche Bank wurde Ende Oktober 2022 von einer KonsumentInnengruppe über Greenwashing geklagt.
Zurecht, denn…
"Too many of these net-zero pledges are little more than empty slogans and hype.”
Catherine McKenna, COP27 group chair & Kanada's ehemalige Umweltministerin
🧑⚖️ Always walk on the right side of life
Doch wie können Unternehmen und Marken ihre “guten” Aussagen in sinnvollen Green Marketing Kampagnen kommunizieren, ohne Gefahr zu laufen, Greenwashing zu betreiben?
Mit den beiden Rechtsexperten Lukas Fischer und Levente Nagy habe ich über Irreführung, Schadenersatzansprüche und Erfüllung von Erwartungshaltungen gesprochen.
Sie geben mir im Interview Einblicke in Strafen und Schadenersatzklagen, die vorgesehen sind, warum “klimaneutral” nicht gleich “emissionsfrei” ist und was ihre Empfehlung für Green Marketing Kampagnen von Unternehmen ist.
🎙 Das Interview
Was ist die rechtliche Grundlage für Greenwashing & Green Marketing?
Einleitend ist festzuhalten, dass keine rechtliche Definition von Greenwashing existiert. Dennoch verbietet sich Greenwashing rechtlich aus mehreren Perspektiven. Einerseits ist das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb 1984 („UWG“) einschlägig, bei welchem unter anderem der Tatbestand der „Irreführung“ im Fall von Greenwashing als Grundlage von Klagen durch den Mitbewerb herangezogen werden kann. Andererseits ist ebenso denkbar, dass KonsumentInnen auf Basis des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches („ABGB“) gegen Greenwashing vorgehen und beispielsweise gewährleistungsrechtliche Behelfe geltend machen. Verbesserung und Austausch werden hierbei regelmäßig nicht möglich sein, weshalb im Speziellen Preisminderung und die Rückabwicklung des Vertrags in Frage kommen. Weiters kommt auch die zivilrechtliche Irrtumsanfechtung in Frage, auf die sich die KonsumentInnen stützen können, um den Vertrag rückabzuwickeln. Selbstverständlich sind - abhängig von der Lagerung des Einzelfalles - im Fall von Greenwashing ebenso Schadenersatzansprüche denkbar.
Worauf müssen Unternehmen achten wenn sie eine Werbekampagne oder Anzeige rund um Nachhaltigkeitsthemen machen? Gibt es zum Beispiel bestimmte Begrifflichkeiten die rechtlich heikel sind?
Um es kurz und knapp zu erklären: Unternehmen müssen darauf achten, dass die durch die Kampagne geweckte Erwartungshaltung durch das beworbene Produkt erfüllt wird. Hierbei ist ein objektiver Maßstab an den Inhalt der Erwartungshaltung anzulegen. Bestimmte Begrifflichkeiten werden in diesem Zusammenhang von der Judikatur sehr streng ausgelegt und sollten nur nach eingehender Prüfung der Kongruenz von Produkteigenschaften und Erwartungshaltung verwendet werden.
Es sind dies beispielsweise „natürlich“, „grün“, „nachhaltig“, „bio“ bzw „biologisch“, „klimaneutral“, „umweltfreundlich“, „Recycling“ oder „regional“.
Laut Oberstem Gerichtshof (OGH) darf mit Hinweisen auf Umwelteigenschaften eines Produkts nur dann geworben werden, wenn diese eindeutig belegt sind und eine Irreführung für die VerbraucherInnen ausgeschlossen ist.
Wer prüft Marketingkampagnen oder Aussagen?
Es gibt keine rechtliche Aufsichtsbehörde, die jede Werbekampagne überprüft. Nichtsdestotrotz greifen beispielsweise die Arbeiterkammer, der Werberat oder auch der Verein für Konsumenteninformation (VKI), hauptsächlich über Beschwerden, Greenwashing geneigte Werbekampagnen auf und weisen per Veröffentlichung im Internet auf fragwürdige Behauptungen hin. Weiters kommt in diesem Zusammenhang beispielsweise dem VKI auch eine Klagsbefugnis (auf Unterlassung der entsprechenden Werbekampagne) zu.
Was für Strafen sind möglich oder welche Beispiele für Rechtssprechungen gab es bereits?
Eine zwingende (Verwaltungs-)Strafe kennt das Gesetz nicht. Unter Umständen können betroffene Unternehmen (Mitbewerber), wie erwähnt, bzw. gemäß neuerer Judikatur auch natürliche Personen (betroffene KonsumentInnen), auf Schadenersatz klagen. Die Summe, auf die in diesem Zusammenhang geklagt werden kann, richtet sich nach dem entstandenen Schaden.
Judikatur zu umweltbezogenen Werbeangaben gibt in Österreich und Deutschland vereinzelt bereits seit den 1970er Jahren. Bereits Ende der 1970er Jahre haben sich deutsche Gerichte mit dem Begriff „naturrein“ auseinandergesetzt. Beispielsweise wurde diesfalls die industrielle Entfernung von Trübstoffen aus Fruchtsaft als nicht naturrein festgestellt. Ein rezentes Beispiels ist das Urteil eines deutschen Landgerichts aus Juni 2022, in dem festgestellt wurde, dass „klimaneutral“ und „emissionsfrei“ nicht gleichbedeutend seien. Klimaneutralität könne demnach – anders als Emissionsfreiheit – auch bei vollständiger Kompensation der ausgestoßenen Emissionen erreicht werden.
Was ist eure Empfehlung an Unternehmen die richtiges Green Marketing betreiben wollen, um wirklich auch auf der richtigen Seite zu stehen?
Es sollte bei jeder Werbekampagne eine interne Checkliste abgearbeitet werden, um zu prüfen, ob die Kampagne mit keinen internen Richtlinien oder dem in der Öffentlichkeit kommunizierten Unternehmensbild in Widerspruch steht sowie ob die beworbenen Produkteigenschaften tatsächlich vorhanden und nicht irreführend sind. Gegebenenfalls empfiehlt sich zur Prüfung der Werbekampagne die Hinzuziehung eines externen Beraters.
3️⃣ Last Questions
Zum Abschluss hier noch meine kurze Frage-Antwort-Runde mit Lukas und Levente:
Das ist ein Trend rund um Green Marketing & Greenwashing den wir gern beobachten:
Es ist faszinierend, wie Nachhaltigkeit an Fahrt gewinnt und von keiner Branche mehr übersehen werden kann. Die entsprechende Vermarktung der Produkte kann demnach nur „green“ sein.
Das war unser ein Buch das uns gerade sehr begeistert hat:
Die Zukunft des Green Marketings ist, …
…dass das Wort „Green“ wegfällt, weil nicht nachhaltige Produkte keinen Absatz mehr finden.
Danke Levente und Lukas für eure Einblicke zu diesem, im wahrsten Sinne des Wortes, brennenden Zukunftsthema!
〜 Ende des Interviews 〜
👀 Auf einen Blick
Greenwashing und Green Marketing sind sehr komplexe Themen.
Viele Unternehmen agieren derzeit in Graubereichen, manche gar auf einer rechtlich unsicheren Seite.
Zu einer ganzheitlichen Green Marketing Strategie gehört auch eine rechtlich stabile Grundlage. Deshalb empfehle ich - bevor große Versprechen und Kampagnen umgesetzt werden - ein grundsätzliches Gespräch mit RechtsexpertInnen durchzuführen.
Sonst wird aus gut-gemeint schnell eine rechtliche Angelegenheit.
Nagy & Fischer Rechtsanwälte sind auf Nachhaltigkeitsthemen spezialisiert, unter anderem auf Rechtsfragen im Zusammenhang mit (potentiellem) Green Washing und alles rund um Sustainable Finance.
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