💁 Der Trend zur Convenience: Probier's mal mit Gemütlichkeit
Die Insights hinter dem Trend zu Convenience im Marketing, wie wir damit Bedürfnisse erfüllen, was der Einfluss auf Nachhaltigkeit ist und künftig sein kann.
Hallo 👋 mein Name ist Florian Schleicher und das ist der FutureStrategies Newsletter von FUTURES. Schön, dass du mitliest 💚 Wenn du strategisches Marketing lernen willst, ist meine Simple & Sustainable Marketing Academy genau richtig für dich.
Bequemlichkeit oder Gemütlichkeit sind große Antriebe im KonsumentInnenverhalten.
Nicht umsonst sind die Worte “Schnell” und “Einfach” allgegenwärtig im Marketing.
Das nächste Uber ist nur einen Klick entfernt. Die nächste Mahlzeit wird direkt zu mir geliefert. Amazon-Bestellungen die länger als 3 Tage dauern sind eine Seltenheit.
Fast niemand will mehr warten und Geduld wird zu einem fast vergessenen Wort.
Ich kann mich noch erinnern, als ich warten musste, bis mein 56k Modem sich lautstark mit dem Internet verbinden musste. Heute werde ich ungeduldig, wenn eine Website länger als 1 Sekunde lädt.
😳 Everything, Everywhere All At Once
Was ist Bequemlichkeit?
Das Cambridge Dictionary gibt uns eine gute Definition von Bequemlichkeit / Convenience als…
“…the fact of something being easy to do, get to, etc. and operates quickly and needs little effort. Things that cause no difficulty for your schedule or plans.”
Grundsätzlich gibt es 5 Arten von Bequemlichkeit:
Entscheidungs-Bequemlichkeit - wenn uns Entscheidungen durch Vorschläge aka Recommendations erleichtert werden.
Zugangs-Bequemlichkeit - wenn wir schneller bekommen was wir wollen.
Transaktions-Bequemlichkeit - wenn wir Bestellungen rasch abwickeln können.
Vorteils-Bequemlichkeit - wenn unsere Bedürfnisse die wir haben, schnell erfüllt werden.
Bestands-Bequemlichkeit - wenn der Erhalt, Austausch oder Fehlerbehebung unserer Produkte und Dienstleistungen reibungslos funktioniert.
Gerade den dritten Punkt der Transaktions-Bequemlichkeit können wir gut beobachten, wenn wir auf den Trend zu Tap-To-Pay (kontaktloses Bezahlen) schauen:
“Tap to pay has exploded around the world tap to pay has gone from virtually no penetration four years ago to 50% of Visa’s payments today and 72% globally”
Romina Seltzer, Head of Product and Innovation at Visa Latin America & Caribbean
🫠 Warum sehen wir diesen Trend zu Convenience überall?
Das Spannende ist, dass Bequemlichkeit das Verhalten von Alt und Jung antreiben.
Ähnlich wie beim Trend zu Belohnungskonsum geht es vor allem um eines: Kontrolle
“Overwhelmed by data smog and change-averse, (people) look to frictionless commerce to maintain control and a healthy work-life balance After years of uncertainty and seismic change.”
Besonders Gen X (jetzt 40-55 Jahre alt) sind bekannt dafür Kontrolle und Sicherheit zu lieben (Übrigens die Generation die zu 68% jetzt in CEO Positionen sind).
Aber auch am anderen Ende von Gen Z (ca. 14-25 Jahre alt) sehen wir massive Unsicherheiten und sogar eine drohende Mental-Health Krise.
Sie machen sich große Sorgen um ihre Zukunft - von geopolitischen Krisen bis zu Sorgen um das Überleben der Menschheit in Zeiten der Klimakrise. Nicht umsonst ist das 🫠 Emoji, eines der beliebtesten in der Altersgruppe.
Laut dem Global Risks Report 2022 des Weltwirtschaftsforums ist die Mehrheit der Verbraucher weltweit (61%) besorgt über die Zukunftsaussichten der Welt.
Die Play Well Study 2022 fand heraus, dass 93% der Erwachsenen sich gestresst fühlen, und 80% suchen aktiv nach neuen Möglichkeiten zur Entspannung.
Wir alle sind müde und suchen Stabilität, Sicherheit und können nur mit einem minimalen Ausmaß an Herausforderungen umgehen.
“Our brains are statistical organs that are built simply to predict what will happen next. We have evolved to minimise surprise.”
Dr. Karl Friston, Professor für Neuroscience, University College London, UK
Deshalb streben wir nach so viel Bequemlichkeit in unserem Leben wie nur möglich.
Jede Unsicherheit oder Störung wird von unserem Gehirn als Bedrohung gesehen und löst somit Stress und Angst aus, die wiederum Energien ziehen.
Dr Karl Friston, sagt weiter
“It turns out our brains are incredibly greedy when it comes to energy consumption, sucking up 20% of calories while accounting for only 2% of overall body weight. When our routines are disrupted, we have to make new predictions about the world – gather information, consider options and make choices.”
Alles andere als Bequemlichkeit ist also aus biologischer Sicht kontraproduktiv.
Oder in den Worten von Nina Jönsson, CEO der schwedischen Retailkette ICA
“Consumers will always look for ways to save time and make their lives easier.”
🛍️ Wie gehen Unternehmen auf den Trend zu Bequemlichkeit ein?
Drei Themen und Bewegungen finde ich dabei spannend:
Subscription Models
Unternehmen im Gamingbereich wie Fortnite, Fitnessanbieter wie auch neuerdings Apple, jeder Streamingdienst und sogar Essenslieferungen arbeiten mit Abonnements. Es gibt sogar Champagner Abonnements und in Brasilien gibt es ein Start-Up, das Reinigungsprodukte mit wiederverwendbaren Behältern liefert.
Für eine monatliche oder jährliche Gebühr bekomme ich Zugang zu meinen Produkten und Dienstleisungen.
Warum ist das aus KonsumentInnensicht spannend? Weil einmal ausgesucht, alles automatisch und ohne Aufwand funktioniert. Oder wie es eine KonsumentIn in einer McKinsey Studie sagt:
“I like that I know exactly what I’m getting, how much I’m paying, and it’s convenient since it’s all on autopay.”
Auto-Refill Lösungen
Immer mehr Unternehmen, entdecken die Möglichkeit auf die Bequemlichkeit von KonsumentInnen mit automatischen Refill-Lösungen einzugehen.
Wenn mein Kühlschrank weiß, wann ich neue Milch brauche, mein Kontaklinsenanbieter mir eine E-Mail schickt, wenn mein Vorrat sich dem Ende zuneigt oder Amazon mit dem eigens entwickelten Dash-Button automatische Nachbestellungen von Waschmitteln ermöglicht - dann haben sie alle verstanden: Wir wollen uns möglichst viel Aufwand sparen.
Pre-Orders
Stell dir vor du findest nach langer Recherche dein richtiges Produkt oder dein richtiges Service nur um dann die Nachricht “Vorübergehend nicht verfügbar” vorzufinden.
Was für eine Unbequemlichkeit!
Durch Pre-Orders können diese Artikel jetzt schon bestellt werden und sie werden geliefert, sobald sie verfügbar sind. Also keine weiteren Energien verschwenden, alles kommt an.
🤫 The dirty secret
Also alles toll oder?
Nicht ganz leider.
Denn durch unser Streben nach Bequemlichkeit, entstehen riesige Summen an CO2 Emissionen. In der gesamten Lieferkette des Handels, von der Energie, die für den Betrieb der Geschäfte benötigt wird, bis hin zum Kraftstoff, der von den Lieferfahrzeugen verbraucht wird, treibt uns unsere Gemütlichkeit weiter in die Krise.
Denn das einfache Einkaufen von der Couch aus und die schnelle Lieferung kollidieren mit ökologischer Nachhaltigkeit.
Laut McKinsey können die Treibhausgasemissionen im Scope 3 - die alle in der Lieferkette erzeugten Emissionen umfassen - bis zu 80% der gesamten CO2-Bilanz im Handel ausmachen. Bei Haushalts- und Modemarken kann dieser Anteil sogar auf 98% steigen.
Die gute Nachricht ist, dass KonsumentInnen - insbesondere die jüngeren Generationen - bereit sind, für Nachhaltigkeit einen höheren Preis zu zahlen. Mehr noch, sie wollen auch proaktiv bei Marken einkaufen, die sich für die Einbindung nachhaltiger Praktiken in ihren Betrieb einsetzen.
“75% of Gen Z shoppers say their purchasing decisions are influenced by whether a brand or product aligns with their green values.”
Research von Alchemmy
🚦Convenience und Nachhaltigkeit - geht das?
Die kurze Antwort ist: “Ja”
Die lange Antwort ist, wie Thomas Walters, Gründer der Werbeagentur Billion Dollar Boy es einleitet:
“Sustainability has to be long-term, holistic and consistent across the business.”
Zwei Lösungsansätze an dieser Stelle:
Unternehmen müssen Transparenz in den Lieferketten schaffen
Wie vorher beschrieben findet hier viel CO2 Ausstoß statt. Wenn Unternehmen zum Beispiel kostenlose Rücksendungen anbieten, müssen sie nachweisen, dass diese Rücksendungen nicht einfach auf der Mülldeponie landen.
Und in Zeiten, in denen Sie möglicherweise Ihrer Verantwortung für das Klima nicht gerecht werden, müssen Sie ehrlich sein und sagen: "Wir machen das gut, aber wir wissen, dass wir es besser machen können, und so werden wir den Wandel erreichen.”
“At its core, sustainability is about waste management, reducing impacts, and building systems that can regenerate.”
Auf Plattformen wie Zoolert and NowInStock können begehrte Produkte direkt verfolgt und so auch unnachhaltige Überproduktion eingedämmt werden.
Denn wenn Unternehmen versuchen, die Zahl der Rücksendungen zu minimieren, indem sie bessere Größenangaben, detailliertere Produktbeschreibungen und eine hochgradig maßgeschneiderte Personalisierung, um die Verbraucher mit Artikeln in Verbindung zu bringen, die sie dann mit geringerer Wahrscheinlichkeit zurückgeben werden, können sie das Kundenerlebnis verbessern und schaffen noch mehr Bequemlichkeit und Service.
Wir müssen das Problem der KonsumentInnen verstehen.
Wenn das Problem aus einem stressigen Alltag, Unsicherheiten und Kontrollverlust kommt, gibt es vielleicht auf dieser Seite auch ein Potenzial…
😍 Oh wie schön
Ein gutes Gegenmittel gegen Angst und Unsicherheiten ist nämlich Ehrfurcht oder Entzückung (im Englischen einfach “awe”) - es erhöht auch unsere Empathie.
Neurowissenschaftler in Deutschland haben herausgefunden, dass die Erfahrung von Ehrfurcht die Aktivität im Standardmodus-Netzwerk des Gehirns verringert. Das Ergebnis für die Befragten war ein geringeres Maß an Stress und Gehirnnebel.
“Experiencing awe heightens people’s focus on the present. When you are more conscious of the present moment, you feel that your experiences are fuller”
Melanie Rudd, Co-Autor, Awe Expands People’s Perception of Time
Ehrfurcht ist das Gefühl, mit etwas Größerem konfrontiert zu sein, das unser gegenwärtiges Verständnis der Dinge übersteigt.
Wir können Ehrfurcht in der Gegenwart von Schönheit, der Natur und außergewöhnlichen Fähigkeiten erleben. Es sind Momente, die uns dazu bringen, Dinge neu zu bewerten und zu überdenken, um dieser neuen Erfahrung Rechnung zu tragen, schreibt Julie Smith in “Why has nobody told me this before?”
Von der Begegnung mit einer mächtigen und charismatischen Führungspersönlichkeit bis hin zum Blick in den Nachthimmel und dem Nachdenken über das Universum und die Chancen, jemals geboren worden zu sein.
Wie geht das praktisch?
Das Kleidungslabel Ginlee aus Singapur hat die GOOD-Fertigung (Get Order On Demand) eingeführt.
Wie das Unternehmen erklärt: "In dem Bestreben, nachhaltiger zu sein und Abfall zu vermeiden, führen wir eine Option ein, bei der du eine Rolle spielen kannst. Warte einfach drei bis fünf Wochen. Wir ziehen 15% von deiner Bestellung ab. Das ist deine Belohnung dafür, dass du uns hilfst nachhaltiger zu werden."
Und das Kleidungslabel Early Majority entwirft inklusive Mode, die so wandlungsfähig ist, dass sie für alle Lebensphasen verwendbar ist. Damit der Kleiderschrank weniger gefüllt werden muss und Ressourcen gespart werden.
Auch im Tourismusbereich gibt es spannende Ansätze wo Entspannung durch besondere Erlebnisse und nicht durch All-Inclusive-Bequemlichkeit angeboten wird.
Die Liste von neu gedachter Bequemlichkeit und Entspannung wird immer größer.
Bewunderung, Entzückung und Ehrfurcht werden schon seit mehreren Jahren als zentrale Treiber einer Wende zu nachhaltigem Konsum erforscht.
Wir suchen nicht per-se Schnelligkeit.
Wir suchen einen Ausweg aus Stress und Angst.
Also lasst uns Bequemlichkeit nachhaltig machen.
Danke fürs Mitlesen!
PS: Du kannst dieses Posting auch in englischer Version lesen.
🐢 Something good 🪸
Das Impact Start-Up faircado hat eine sehr bequeme und nachhaltige Lösung fürs Onlineshoppen entwickelt:
Ein einfaches Browser-Plugin findet einfach und automatisch die besten second-hand Angebote für deinen Geldbeutel und unseren Planeten. Und das ohne extra Aufwand sondern einfach während du in über 1.600 Webshops einkaufst. So wird die Lebensdauer von Produkten verlängert, Zeit, Geld und CO2 gespart.
🌱
Danke Kurt für deine unterstützenden Anmerkungen. Ja da sind einige langfristig schlechte Entscheidungen getroffen worden, deren Auswirkungen wir heute immer stärker sehen. Hast du dir das Beispiel von Faircado angesehen ganz am Ende meines Beitrags? Das ist finde ich eine schöne Alternative mit Nachhaltigkeit im Zentrum.
Ich freue mich schon auf unseren Lunch nächste Woche!
Sehr gute Argumente und Empfehlungen, Florian. Der Convenience-Wahn, der durch viele Industrie- und Handelskonzerne noch forciert wurde, zeit jetzt die Kehrseite der Medaillie: Plastikmüll im Ozean, Textilmüll in der Atacamawüste, CO2-erhöhende Transportwege über zig-tausende Kilometer, etc.
Beispiel 1: Die österr. Handelskonzene haben Ende der 90-iger Jahre die Mehrweg-Glasflaschen für Mineralwasser "abgedreht", um ihre Kosten für den Rücktransport und Handling zu sparen.
Und derselbe Wahn zeigt sich bei Textilien: Bestellt werden im Online-Shop gleich mehrere Modelle, was nicht gefällt, geht retour. Solange keine Retour-Steuer dafür bezahlt werden muss, zahlt die Allgemeinheit dafür. Diese Geschäftsstrategien haben in dieser Form keine Zukunft mehr.
Nachhaltiges Marketing muss zirkulär gedacht und auch EHRLICH praktiziert werden.