đ Wie verĂ€ndern wir Verhalten (nachhaltig)?
Welche psychologischen Muster uns dabei helfen können, VerĂ€nderungen herbeizufĂŒhren, und was das mit Elefanten zu tun hat.
Hallo đ mein Name ist Florian Schleicher und das ist der FutureStrategies Newsletter von FUTURES. Schön, dass du mitliest đ Wenn du strategisches Marketing lernen willst, ist meine Simple & Sustainable Marketing Academy genau richtig fĂŒr dich.
Wann immer ich VortrÀge oder Workshops rund um Marketing & Strategien halte, kommen wir in Diskussionen oft zum gleichen Punkt:
Marketing hat die Aufgabe, eine VerhaltensĂ€nderung herbeizufĂŒhren.
Aber:
Wie verÀndern wir KonsumentInnenverhalten?
Und am besten noch dazu zu einem nachhaltigeren Lebensstil?
Wie schaffen wir mit Marketing einen Wandel zu einer âgrĂŒnenâ Zukunft?
GroĂe Fragen - und auch ich war lange auf der Suche nach den richtigen Antworten.
Ein paar meiner Antworten möchte ich heute mit euch teilen.
Beginnen wir also bei der ersten Frage:
đ Wie verĂ€ndern wir KonsumentInnenverhalten?
DafĂŒr mĂŒssen wir zu Beginn eines verstehen: Menschen Ă€ndern sich nicht gern. Wir sind biologisch (zumindest die meisten von uns) darauf konditioniert, VerĂ€nderungen als Gefahr und Bedrohung zu sehen.
Und das Paradoxon ist: Obwohl wir wissen, dass Menschen auf unserem Planeten gerade deshalb so dominant geworden sind, weil wir uns am besten an unsere Umwelt anpassen können, mögen wir VerÀnderungen grundsÀtzlich nicht.
VerÀnderungsresistenz gibt es Beispielsweise immer wenn es neue Technologien gibt.
âBeing afraid of technology is not a new phenomenon: people literally hid from electricity. In the 1890s, people were so worried about the bicycleâs impact on society that they made up a medical condition to deter women from cycling.â
Jane McGonigal
Aber als zukunftsgerichtete Menschen wollen wir ja etwas verÀndern.
Nur wie nehmen wir andere Menschen auf diese Reise mit?
DafĂŒr brauchen wir zuerst mal eines - ein klares VerstĂ€ndnis, wer unsere Zielgruppe ist, was sie bewegt und welche Herausforderungen sie in ihrem Alltag haben.
Wir mĂŒssen Fragen stellen, wie:
Wer sind sie?
Wer und was ist in ihrem Umfeld?
Was wollen sie?
Wie fĂŒhlen sie sich?
Und wenn wir das im Detail verstanden haben, können wir uns dem nÀchsten Schritt widmen - der konkreten VerhaltensÀnderung.
Da habe ich im Buch von Chip und Dan Heath âSwitchâ den spannenden Ansatz von Jonathan Haidt gefunden:
đ The Elephant and the rider
Dieses Modell geht davon aus, dass wir alle zwei Seiten, zwei Strömungen und Motive in uns haben: Eine/n ReiterIn - unser rationales Bewusstsein - und einen Elefanten - unser emotionales Unterbewusstsein.
Unser/e ReiterIn ist rational und zielorientiert. Sie hat eine Richtung, in die unser Elefant gehen soll, und versucht, ihn in diese Richtung zu lenken. Es sieht so aus, als hĂ€tte sie das Sagen, weil sie oben sitzt und die ZĂŒgel in der Hand hĂ€lt.
Der Elefant steht fĂŒr unser emotionales Denken, das auf intuitiven Impulsen beruht, die wir, wie alle Tiere, entwickelt haben. Dieser Teil unseres Denkens ist nicht analytisch, sondern basiert auf Emotionen.
TatsÀchlich ist die emotionale Argumentation unseres Elefanten stÀrker; wenn ReiterIn und Elefant sich nicht einig sind, gewinnt fast immer der Elefant.
Ein paar Beispiele:
Abends denken wir uns, wir wollen morgen frĂŒh aufstehen, also stellen wir den Wecker auf eine frĂŒhe Uhrzeit. Morgens fĂŒhlen wir uns allerdings mĂŒde und drĂŒcken den Wecker weg und snoozen.
Zu Neujahr beschlieĂen wir, dass wir mehr Sport machen und uns gesĂŒnder ernĂ€hren wollen. Ein paar Wochen spĂ€ter ist es aber sehr verlockend nach einem langen Tag auf der Couch zu versinken und comfort food zu essen.
Wir verstehen, dass wir einen nachhaltigeren Lebensstil verfolgen und so etwas gegen die Klimakrise tun sollten. Aber im tÀglichen Tun ist es kompliziert, nachhaltige Produkte zu recherchieren und dann kosten diese auch noch mehr.
Alles Beispiele, bei denen unsere zwei Seiten in einen Konflikt kommen.
Wir glauben, rationale Entscheidungen zu treffen, die frei von den EinflĂŒssen unserer Emotionen, Intuitionen und moralischen Bedenken sind, wĂ€hrend wir uns ihres Einflusses oft gar nicht bewusst sind - ĂŒber einige psychologische Tricks von Marken habe ich hier geschrieben.
Und genauso geht es KonsumentInnen und EntscheiderInnen, wenn sie sich fĂŒr etwas Anderes, Neues oder Innovatives entscheiden wollen oder mĂŒssen.
Die meisten Marketeers und GrĂŒnderInnen sind gut darin, unsere inneren ReiterInnen anzusprechen und GrĂŒnde aufzulisten, warum eine VerĂ€nderung oder ein Kauf gute Entscheidungen sind.
Aber dabei vergessen viele auf die emotionale Seite des Elefantens.
Versteht mich nicht falsch, beide Rollen sind fĂŒr uns wichtig.
âThe Rider provides the planning and direction, and the Elephant provides the energy. So if you reach the Riders but not the Elephants, people will have understanding without motivation. If you reach Elephants but not Riders, they'll have passion without direction. In both cases, the flaws can be paralyzing. A reluctant Elephant and a wheel-spinning Rider can both ensure that nothing changes. But when Elephants and Riders move together, change can come easily.â
Chip & Dan Heath
Um echte VerĂ€nderungen herbeizufĂŒhren mĂŒssen wir beide erreichen und bewegen.
Wenn die beiden Seiten nicht im Einklang ist, gewinnt der Elefant - unser Hirn schaltet auf Auto-Pilot und der Weg des geringsten Widerstands wird genommen.
Und genau das passiert beim Thema Nachhaltigkeit allzuoft.
đ± Wie schaffen wir VerĂ€nderungen fĂŒr einen nachhaltigeren Lebensstil?
Unsere Mitmenschen und Zielgruppen haben einen komplexen Alltag:
âConsumers are under constant pressure to be vigilant when it comes to saving for the future, protecting their health and avoiding climate catastrophe. In response to a culture of relentless self-optimisation â not to mention a feeling of powerlessness in the face of an uncertain future â consumers are taking back control by living life on their own terms. Instead of doing what they should do, theyâre doing what they want, no matter the consequences.â
Foresight Factory
Jede VerÀnderung in Richtung Nachhaltigkeit verlangt nicht nur gute Argumente, sondern auch klare Emotionen.
Wir mĂŒssen also beides liefern, um VerĂ€nderungen herbeizufĂŒhren.
Wenn wir das nicht ausreichend tun, gehen Menschen in Abwehrhaltungen, wie Jane McGonigal in Imaginable beschreibt:
Distanzierung - "Das ist noch weit weg, wir mĂŒssen jetzt nicht darĂŒber nachdenken." - "Es wird mich persönlich nicht betreffen, das ist die Sache von jemand anderem."
Verleugnung - "Das wird nie passieren", "Wenn es passiert, wird es keine groĂe Sache sein".
Erschöpfung - "Ich habe heute zu viele reale Probleme, um mich um ein hypothetisches zukĂŒnftiges Problem zu kĂŒmmern", "Ich bin ausgebrannt von dem Versuch, andere Leute dazu zu bringen, diesem Risiko Aufmerksamkeit zu schenken - ich kann das nicht mehr tun".
Kapitulation - "Ich kann persönlich nichts dagegen tun, es entzieht sich meiner Kontrolle, warum also die MĂŒhe?
Wir mĂŒssen Menschen also auf eine Reise mitnehmen, und sie und ihre Probleme verstehen, um sie wirklich ĂŒberzeugen zu können.
Wir mĂŒssen Elefanten und ReiterIn ansprechen.
Und das funktioniert, wie so oft, am besten mit Geschichten.
đ Wie schaffen wir mit Marketing einen Wandel zu einer âgrĂŒnenâ Zukunft?
Das Problem, das wir heutzutage haben, ist, dass Nachhaltigkeit in den seltensten FĂ€llen einfach und positiv formuliert wird.
Ăberall gibt es Hiobsbotschaften - wir sehen Krisen und was alles nicht funktioniert - und sofort denkt sich unser innerer Elefant: âzu anstrengendâ oder âzu groĂâ.
Thomas Klaffke hat dazu auch einen groĂartigen Beitrag geschrieben.
Wir mĂŒssen nachhaltige Lösungen greifbar, positiv und einfach machen.
Hier ein Beispiel, das Chip & Dan Heath in ihrem Buch beschreiben:
Wie schaffen wir es, dass Menschen gesĂŒndere Milch trinken?
Die erste Ăberlegung ist, dass wir dafĂŒr sorgen, dass die bessere Milch in den KĂŒhlschrĂ€nken unserer Zielgruppe auftaucht.
Menschen trinken alles, was im Haus ist.
Im Grunde genommen ist das Problem also sogar einfacher als erwartet:
Wir mĂŒssen nicht das Trinkverhalten, sondern das Kaufverhalten Ă€ndern.
Bill Reger und Booth-Butterfield starteten dazu eine Kampagne in zwei Gemeinden in den USA und schalteten zwei Wochen lang Spots in den lokalen Medien. Im Gegensatz zu den faden Botschaften der meisten öffentlichen Gesundheitskampagnen war ihre 1%-Milch-Kampagne schlagkrÀftig und spezifisch.
In einem Werbespot wurde darauf hingewiesen, dass ein Glas Vollmilch die gleiche Menge an gesĂ€ttigten FettsĂ€uren enthĂ€lt wie fĂŒnf Streifen Speck. Auf einer Pressekonferenz zeigten die Forscher lokalen ReporterInnen ein Röhrchen voller Fett - das entspricht der Menge, die in einer halben Gallone Vollmilch enthalten ist.
âNext time youâre in the dairy aisle of the grocery store, reach for a jug of 1% milk instead of whole milk.â
Schock ĂŒberzeugt unseren Elefanten.
Auch mit ein Grund, warum Oatly zu aufmerksamkeitsstarken und absurden Werbeformaten neigt. Sie wollen wachrĂŒtteln. Und dabei geht es weniger um Fakten als um Emotionen.
Was war nun der Effekt der vorhin angesprochenen Milchkampagne?
Vor der Kampagne lag der Marktanteil von fettarmer Milch bei 18%.
Nach der Kampagne lag er bei 41%.
Sechs Monate spÀter lag er immer noch bei 35%.
VerhaltensĂ€nderungen mĂŒssen also einfach sein und dort ansetzen, wo es wirklich wichtig ist - bei den Elefanten.
Gerade im Nachhaltigkeitsbereich und Green Marketing arbeiten wir oft mit groĂen Zahlen und wichtigen Statistiken. Aber im Endeffekt brauchen wir mehr Emotionen.
Denn nur so schaffen wir echte - und auch nachhaltige - VerhaltensÀnderungen.
Danke fĂŒrs Mitlesen!
PS: Du kannst dieses Posting auch in englischer Version lesen.