🏛️ Case Study: AESOP - Marketing als Kunst
Was passiert, wenn Marken flüstern, statt schreien? Die Kosmetikmarke Aesop zeigt, wie aus stimmiger Brand Identity, ruhiger Kommunikation und modernem Storedesign Kultstatus wird.
Hallo 👋 mein Name ist Florian Schleicher und das ist der FutureStrategies Newsletter. Schön, dass du mitliest 💚
Es gibt Marken, die will man besitzen. Und es gibt Marken, die will man verstehen. Aesop gehört zu den wenigen, bei denen beides gleichzeitig passiert.
Noch nie von der Marke gehört?
Dann bist du entweder nicht in der Zielgruppe, oder du wirst sie gleich lieben.
Ein paar Hard Facts:
280 Signature Stores weltweit, eine jährliche Wachstumsrate von 30-40%, ein Markenwert von 2.5 Milliarden US-Dollar und eine kult-artige Liebe der eigenen Zielgruppe gegenüber dem Unternehmen.
Aesop ist eine der begehrtesten Marken der Welt.
“No matter where and how you first meet the Aesop brand it will strike you as the prototype of a modern beauty brand.”
JP Kuehlwein, Uberbrands
Aesop ist keine klassische Kosmetikmarke.
Sie ist ein Gefühl. Ein Raum. Eine Geschichte. Ein Ritual.
Sie flüstert, wo andere schreien.
Sie gibt einer spitzen Zielgruppe das Gefühl, verstanden zu werden.
Vielleicht bin ich so fasziniert von ihr, weil sie im selben Jahr geboren wurde wie ich - 1987. Vielleicht aber auch, weil sie vieles anders macht, den eigenen Weg geht – und damit viel richtig macht.
Doch wie gelingt das? Was macht diese Marke so besonders?
Das schauen wir uns heute über diese Themen an:
Brand Identity statt Inszenierung
POS Kathedralen der Ruhe
Leise Nachhaltigkeit
Und zum Schluss gibt es noch 3 Key-Learnings, was wir uns von der Marke Aesop für unsere eigenen Marketingstrategien abschauen können.
💆 Identität statt Inszenierung
Die Geschichte von Aesop beginnt – wie so oft bei besonderen Marken – nicht mit einem Businessplan, sondern mit Unzufriedenheit. Dennis Paphitis, Friseur mit griechischen Wurzeln in Australien, war genervt von den synthetischen Gerüchen und überladenen Versprechen herkömmlicher Pflegeprodukte.
Also begann er, im eigenen Salon in Melbourne Alternativen zu mischen. Hochwertige Inhaltsstoffe, zurückhaltende Verpackung, keine überzogenen Claims. Nur: Wirkung, Ästhetik, Ruhe.
Auch der Name “Aesop” nach dem gleichnamigen, antiken Fabeldichter ist eine subtile, fast provokante Gegenreaktion auf eine Branche, die ihre Produkte bedeutungsschwer, aber ohne Tiefgang inszeniert.
Während klassische Kosmetikmarken um Aufmerksamkeit kämpfen - laut und bunt schreien - verzichtet die Marke auf Rabatte, Promis und grelle Werbebotschaften.
Stattdessen investiert das Unternehmen in sinnliche Store-Architektur, literarische Sprache und radikale Konsequenz.
Meine bisherigen Marketing-Case Studies kannst du hier nachlesen:
Apple, LEGO, Patagonia, Oatly, Reformation, Too Good To Go
In Zeiten der Obsession zu schnellen Ergebnissen und allgegenwärtigen Ratgebern, die „Results in 7 Days“ oder „Clinically Proven“ versprechen, antwortet Aesop anders.
Kein Hype.
Kein Rabatt.
Kein Glow-Versprechen.
Stattdessen: Texte mit Camus-Zitaten, Stores wie architektonische Gedichte und Marketingkanäle, die auf Emotionen basieren.
A product needs to perform, but if it can do so with a little poetry, so much the better. Technology increasingly robs us of the “mystical” in our lives, but not everything needs to be fast, available, and convenient. I like ideas and products that reveal themselves slowly – more whisper than scream, something that becomes part of our own personal universe.
Dennis Paphitis, Gründer AESOP
Und so geht es der Marke weniger um die Inszenierung des Unternehmens, sondern um die eigene Identität der KonsumentInnen, zu der sich die Produkte wie ein Spiegel positionieren.
Wer auf die Website kommt, liest keine Superlative, keine Beauty-Versprechen, keine unauthentischen Missionen. Stattdessen sachliche Beschreibungen, klare Sprache, kurze Sätze.
Die Produkte werden nicht angepriesen, sondern erklärt. Es gibt keine “Geheimformel” oder perfekt gestylte Models.
Inhaltsstoffe stehen im Zentrum – oft pflanzenbasiert, mit Herkunft, Wirkung und Anwendung. So entsteht Vertrauen nicht über Image, sondern über Information.
Diese Haltung zieht sich durch alle Kommunikationskanäle.
Auf Instagram dominieren keine Produktbilder, sondern Architekturaufnahmen, Literaturlisten, Designobjekte. Aesop ist nicht auf Jagd nach neuen Followern. Ihr Kanal ist warm, dunkel, poetisch und mit großem Architekturfokus. Keine Influencer.
Das holt die Zielgruppe - eine moderne, wohlhabende, intellektuelle „Kulturkohorte“, die anspruchsvolle, aber unprätentiöse Produkte verwenden und für ihre Kennerschaft bewundert werden möchte - perfekt ab.
“They believe in- and identify with Aesop and use their choice to clearly differentiate versus their nemesis, the ‘nouveau riche’ and their primitive, showy and wasteful consumption. To them Aesop is the antithesis of the trophy luxury or lifestyle brand of the shallow masses. To them, Aesop is cult and they are willing disciples.“
JP Kuehlwein, Uberbrands
In den Newslettern der Marke geht es um saisonale Routinen, um pflanzliche Inhaltsstoffe, um Lektüreempfehlungen – nicht um Rabatte.
Selbst das Online-Magazin „The Fabulist“ vermeidet jeden direkten Produktbezug: Es versammelt Essays - sehr empfehlenswert hier: “Life Finds A Way - von Zadie Smith” - Gespräche, Buchempfehlungen oder Reisebeobachtungen.
Und in ausgewählten Stores finden regelmäßig kleine Kulturveranstaltungen statt – etwa Lesungen, Gespräche oder Mikro-Ausstellungen. Als Teil ihres „Resonant Gestures”-Programms lud Aesop 2023 in mehreren Stores lokale MusikerInnen ein, kleine Live-Sets zu spielen. Die Performances wurden bewusst so getaktet, dass sie den Storebesuch ergänzten. Musik wurde so zur Erweiterung des Raumerlebnisses, zur einladenden Geste für Entschleunigung und Zusammenhalt.
Diese kulturellen Interventionen sind Teil der Markenführung – kleine architektonische, aber leidenschaftliche Entwürfe gegen die austauschbare Beauty‑Routine.
🏛️ POS als Kathedralen der Ruhe
Wer einen Aesop-Store betritt, entdeckt keine Kosmetik-Filiale, sondern einen Raum, der Gefühle auslöst. Nicht umsonst nennt Vogue die Stores den Traum jeder (in)offiziellen Innenarchitektin.
Jedes Geschäft ist ein Unikat – gestaltet von lokalen ArchitektInnen, inspiriert von der Umgebung, gefertigt mit dem Anspruch, nicht zu wiederholen, sondern zu interpretieren. In Oslo trifft man auf norwegischen Schiefer, in Kyoto auf Holz aus alten Stadthäusern.
Man erkennt Aesop nicht an einem Logo über der Tür, sondern an der Ruhe im Raum, an der Art, wie Licht fällt.

Dieses Storedesign ist keine Ästhetikfrage.
Es ist Teil der Markenführung. Die Räume sind reduziert, durchdacht, fast sakral.
Sie erzählen nichts über das Produkt, aber alles über das Selbstverständnis der Marke.
“Our stores and counters are a clear communication of our values and our approach to retail service. We think of it as a hosting experience. The store is a welcoming, calm space where you are treated as a guest in our home, with high quality products, unobtrusive service, and a comfortable space that appeals to all the senses.”
Retail Architectural Manager Denise Neri in PURVEYR
Wer hier eintritt, wird nicht zur Zielgruppe degradiert, sondern eingeladen, sich als denkender, fühlender Mensch zu begegnen.
Jeder Store kann neu entdeckt werden.
Und ich erlebe es in meinem eigenen Shoppingverhalten.
Vieles bestelle ich aus Bequemlichkeit am liebsten online. Aber für meine Aesop Einkäufe gehe ich aber immer gern ins Geschäft. Auch auf Reisen. Und selbst, wenn ich nicht direkt ein Produkt brauche, gehe ich gern hinein, bewundere das Store Design, wasche mir die Hände und atme kurz durch.
Etwas, dass die Marke ganz bewusst steuert:
“It is about the pleasures the products can give, and the need for that to be part of a person’s everyday experience. And it takes time to shop, that’s the truth – we live in an era where we are extremely deprived of time. So when somebody enters here, indeed, every sense should be cared for and experienced because it’s their precious time.”
Suzanne Santos, Chief Customer Officer Aesop
Das Gefühl das bleibt:
Hier kaufe ich nicht nur Seife.
Ich kaufe ein Stück Ruhe.
Mit großartiger und einfühlsamer Beratung, denn
“Aesop is about a conversation between two people.”
Suzanne Santos
Wer noch nicht in einem Aesop Laden war, dieses Video fasst die Experience sehr unterhaltsam zusammen:
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🌱 Leise Nachhaltigkeit
Aesop spricht selten über Nachhaltigkeit.
Und genau das macht die Marke glaubwürdig. Aber birgt auch ein Problem.
Beginnen wir mit dem positiven Aspekt:
Während andere mit Siegeln, Initiativen und CO₂-Zahlen werben, ist Nachhaltigkeit bei Aesop kein Kampagnenthema, sondern eine Grundhaltung, die sich durchzieht.
Seit 2020 ist Aesop B Corp-zertifiziert. Doch statt dieses Label offensiv zu vermarkten, wird es beiläufig erwähnt. Viel wichtiger ist, wie sich diese Haltung konkret manifestiert:
In Refill-Stationen, die weltweit ausgebaut werden. In Stores, die mit lokal recycelten Materialien gebaut sind. In 100% tierversuchsfreien Produkten oder den Verpackungen, die fast vollständig aus wiederverwerteten Rohstoffen sind.
Nachhaltigkeit wirkt bei Aesop nicht wie ein Versprechen, sondern eine Selbstverständlichkeit.
Aber gerade deshalb ist noch viel Luft nach oben, was die Kommunikation rund um Nachhaltigkeit und das Green Marketing angeht: Aesop ist intern streng, doch im direkten Produktmarketing fehlen oft sichtbare Hinweise. Denn als Lifestylemarke hat sie eine Vorbildwirkung, die nicht genutzt wird.
Würde Aesop ihren grünen Weg mehr kommunizieren, würden AnhängerInnen und KonsumentInnen erkennen, wofür die Marken steht. Und ähnlich wie bei Apple und deren Nachhaltigkeitsbestrebungen hätte das einen enormen Einfluss auf das KonsumentInnenverhalten und den Markt.
🏆 3 Key Learnings für strategisches Marketing
Hier sind meine 3 Learnings aus der Case Study Aesop für unser eigenes strategisches Marketing:
1. Reduktion gewinnt
Aesop verzichtet konsequent auf klassische Werbung, Influencer, Rabatte und Glow-Versprechen. In einer überladenen Branche entsteht so ein Gefühl von Klarheit und Vertrauen. Wer weniger behauptet, wird stärker erinnert. Die Marketingstrategie wird durchgezogen: Sie haben einen Markenkern herausgefiltert und laden ihn mit Ideen auf.
2. Erlebnisse ersetzen Effizienz
Die Stores von Aesop sind keine klassischen Points of Sale, sondern durchdachte, architektonische Erlebnisräume. Beratung wird zum Gespräch, der Einkauf zum Moment der Entschleunigung. Und genau deshalb geht man hin – selbst wenn man nichts braucht. Und verlässt den Store dann doch mit einem neuen Produkt.
3. Klarer Zielgruppenfokus
Aesop spricht eine kulturell affine, stilbewusste Community an – und ignoriert bewusst den Massenmarkt. Diese spitze Positionierung schafft Anziehungskraft und Loyalität. Die Marke polarisiert – und profitiert genau davon. Durch die Fokussierung auf eine Zielgruppe können treffsichere Kampagnen und Ideen die Gefühle auslösen entstehen.
➡️ Möchtest du deine Zielgruppen wie Aesop begeistern? ⬅️
Wenn du für dein Unternehmen eine Strategie entwickeln willst, die deine Zielgruppen begeistert und funktioniert, dann lass uns reden.
Seit 2008 berate und begleite ich das Marketingteams auf strategischer Ebene. Mit meinem Marketingstudio FutureStrategies arbeite ich für KundInnen in 11 Ländern.
🕵 Warum funktioniert Aesops Markenansatz so gut?
Weil sich die Konsumkultur radikal verändert, und die Marke perfekt dazu passt.
Laut einer McKinsey-Studie wollen 71% der Gen Z „Marken, die sie als Individuum respektieren“. 64% suchen nach Marken, die kulturell relevant sind – nicht werblich.
Aesop trifft diesen Zeitgeist punktgenau. Die Marke bietet kein Versprechen, sondern eine Projektionsfläche für Selbstverständnis, Stil und Haltung.
Und sie geht auf einen weiteren Wunsch der KonsumentInnen ein: Verlangsamung.
Aesops Stores sind Orte der Entschleunigung. Und die reduzierte, respektvolle Kommunikation erfüllt einen Wunsch nach Orientierung in einem überladenen Markt - für eine spezifische Zielgruppe.
Aesop verkauft keine Kosmetik.
Aesop verkauft das Gefühl, verstanden zu werden.
Nicht als Zielgruppe, sondern als Mensch.
Und nicht für alle. Sondern für eine spitze Gruppe.
Und vielleicht ist Aesop einfach das, was Marken sein könnten, wenn sie sich trauen würden, zu ihrem Markenkern zu stehen.
Danke fürs Mitlesen,
Sehr, sehr gute Analyse und Markengeschichte, Florian. Es ist immer ein neues Erlebnis, Deine Newsletter zu lesen. Liebe Grüße, Kurt Trolp.